Sensomotorische Integration
In der Sensomotorischen Integration geht es um die (Wieder-)Bewusstwerdung unserer Bewegungsmöglichkeiten.
Durch Unfälle und Traumata oder chronische Fehlhaltungen geht unsere Wahrnehmung unserer Bewegungsmuster zum Teil verloren, sodass wir garnicht mehr bemerken, wie wir uns in bestimmten Bereichen anspannen. Dieser Verlauf, chronische Anspannung immer weniger wahrzunehmen, ist ein Anpassungsprozess, der sich aber auch wieder umkehren lässt. So leidet beispielsweise 80% der Bevölkerung an chronischen Rückenschmerzen(1), wobei konventionell medizinische Maßnahmen zur Behandlung nur bedingt hilfreich sind.
Die Fähigkeit, von seinem vollen Bewegungsumfang bewusst Gebrauch zu machen, hängt von der Fähigkeit ab, den entsprechenden Bereich wahrzunehmen und bewusst ansteuern zu können. Es geht also darum, die Koordinierung der eigenen Bewegungen neu zu erlernen.
Ähnlich wie bei Feldenkrais, Hanna Somaticcs oder der progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson, muss die Arbeit, chronisch fixierte Bereiche wieder fühlbar zu machen, vom Patienten selbst getan werden. Das bringt den Aspekt der Eigenverantwortlichkeit in den Genesungsprozess mit ein. Zudem wirkt es der Gefahr und dem oft unbewussten Wunsch der Patienten entgegen, dass eine Behandlung ein ausschließliches Reparieren von außen ist. Um Heilung bzw. Gesunderhaltung nachhaltig zu erfahren, muss immer auch eine gewisse Bewusstseinsveränderung bezüglich des wahrgenommen Körperschemas stattfinden.
Lebendige Systeme versuchen immer, ein Gleichgewicht innerhalb ihres Körpers und zwischen ihrem Körper und der Umwelt aufrechtzuerhalten (Homöostase).
Die Aspekte des Sympathischen Nervensystems (mitverantwortlich u.a. für die Beschleunigung des Herzschlags und der Atmung) und Parasympathischen Nervensystems (mitverantwortlich für Verdauungs- und Regenerationsprozesse) müssen sich in ihrer Funktion abwechseln, ergänzen, ausgleichen.
Außerdem lässt sich das Zentralnervensystem in zwei Anteile unterteilen. Dem Sensorischen und dem Motorischen. Auf der gesamten Länge des Rückens treten an der hinteren Seite der Wirbelsäule die Sensorischen Nerven aus und an der vorderen Seite die Motorischen Nerven.
Die Sinneszellen, die sogenannten Rezeptoren in Muskeln, Sehnen und Faszien, vermitteln Reize aus unserer Umwelt und aus unserem Körperinneren über das sogenannte Hinterhorn des Rückenmarks zum Gehirn, wo der Reiz verarbeitet wird. Die entsprechende Bewegung wird koordiniert und über das Vorderhorn und die Motorischen Nerven an die Muskelgruppen weitergeleitet.
Neben dem Nervensystem spielen in der Sensomotorischen Integration die Faszien eine entscheidende Rolle.
In unser Fasziengewebe sind Nerven und Rezeptoren eingebettet. Sie informieren das gesamte Zentralnerverensystem über Temperaturunterschiede, Drücke, Bewegungsrichtungen, Bewegungsgeschwindigkeiten und Schmerzen. Aus diesem Grund ist die Faszientherapie und die Osteopathie mit Ihrer Auslegung auf die Verbesserung der Zirkulation und Entlastung von Zugspannung innerhalb faszialer Strukturen so wertvoll.
Um es mit den Worten Andrew Taylor Stills, dem Begründer der Osteopathie, zu sagen: Man muss das Fasziale System als eine Art Außenstelle des Gehirns betrachten. Und wenn man nach den allgemeinen Geschäftsregeln geht, hat eine Außenstelle immer die gleichen Eigenschaften, wie die Hauptgeschäftstelle. Warum sollten wir dann die Faszien nicht mit genau so viel Respekt behandeln, wie das Gehirn.
Osteopathische Behandlungen ergänze ich gerne mit Übungen, die zu Hause selbstständig ausgeführt werden.
Die Übungen bieten eine zusätzliche Möglichkeit, sich langfristig und selbstständig um seine Fasziengesundheit zu kümmern. Die Übungen haben nichts mit Dehnungen oder struktureller Manipulation der Faszien zu tun.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Faszien nicht von außen, im Sinne von Verlängerung, dehnen lassen und nach einer gewissen Verformung durch ihnen innewohnende Rückstellkräfte, ähnlich einer Feder, immer wieder in die ursprüngliche Länge zurückkehren. Eine Lösung oder Weichwerden geschieht hingegen immer im Zusammenspiel mit dem Nervensystem und den entsprechenden Rezeptoren in den Faszien.
Diese Rezeptoren speisen unsere Körperwahrnehmung, Propriozeption, die es immer weiter zu verfeinern und lebendig zu halten gilt. Dies führt nachgewiesenermaßen dazu, dass die Entwicklung des Gehirns Richtung Vernetzung und effizienter Homöostase bis ins hohe Alter erhalten bleibt.
Unter Anderem sind aus diesem Grund Bewegungsschulungen, Yoga, Tai Chi und Qi Gong, Tanz und Sport so gesundheitsfördernd und eine hervorragende Prophylaxe gegen Burnout-Syndrom, Demenz und Alzheimer.
(1)vgl.: Statistiken des Robert-Koch-Instituts Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Heft 53. Rückenschmerzen.
(2) vgl.: Still, Andrew Taylor